Eine Reise quer durch Russland

13.09.2006

Eine echte Russlanderfahrung beginnt bereits zu Hause: Braucht man als EU-Bürger sonst fast nie ein Visum, so ist es bei Russland sogar ein bisschen kompliziert. Dazu kommt die etwas undefinierbare, leichte Sorge vor dem, was einen dort erwartet, gespeist durch ein in den Medien vor allem in den 90er Jahren geprägtes Russlandbild. Doch um so größer, ja geradezu erschlagend ist der erste Eindruck nach der Einreise in der Nähe von St. Petersburg: Diese Stadt mit ihrer beeindruckenden, im Zentrum restaurierten Altbausubstanz schlägt einen sofort in ihren Bann. Man kann nicht umhin, stundenlang rund um und auf dem Nevski-Prospekt herumzustromern und fragt sich, warum diese so europäische Stadt, die mit den meisten europäischen Metropolen locker mithalten kann, nicht schon viel früher auf dem eigenen Radarschirm aufgetaucht ist. So nah und doch einfach nicht zur Kenntnis genommen...

Die Organisation einer Russlandreise ist eine Sache für sich. Für die Fahrkarten habe ich russischen Reisebüros vertraut, und siehe da: Sowohl in St. Petersburg wie auch in Moskau warteten die Bahntickets auf mich, alles unproblematisch und auch mitten in der Hochsaison kein Problem, dazu verhältnismäßig günstig. Die Unterkünfte lassen sich bequem über Hostelsclub finden.

So geht die Reise zunächst nach Moskau, und die Begeisterung für dieses Land beginnt sich auszuweiten. Es erwartet einen eine kaum zu bewältigende Masse an Sehenswürdigkeiten, vom Roten Platz über die Metro mit ihren jetzt irreal wirkenden Arbeiter- und Bauernstaats- Verzierungen bis hin zu dem Areal, auf dem sich früher einmal die sowjetischen Teilrepubliken präsentiert haben, welches man leicht findet, indem man dem Gagarindenkmal mit der riesigen Rakete folgt. Wie eine Ironie der Geschichte erscheint es, wenn in den Prachtbauten etwa von Georgien oder Karelien schnöde indische Handyverkäufer die Kontrolle übernommen haben.

Das grosse Abenteuer und eine der großen Traumreisen ist dann die Fahrt mit der Transsib gen Osten. In der Tat, es ist ein Traum, wenn man nicht den Fehler macht, in einer deutschen Reisegruppe zu reisen. Denn einen grossen Reiz macht ja gerade die kulturelle Erfahrung aus, mit Russen zu reisen. Das bekommt man nur hin, wenn man sich selbst und in Russland um die Fahrscheine kümmert, denn in der Regel werden Russen und Touristen getrennt untergebracht.

Überraschend ist zunächst, wie bequem und angenehm die Abteile sind, zu viert teilt man sich den reichlich vorhandenen Platz. Am Ende jedes Waggons gibt es einen Samowar zum Tee- oder Kaffee machen, so man die entsprechenden Utensilien mitgebracht hat. Je nach Laune der Zugbegleiterin kann man auch etwas nachbekommen. Sehr schnell gewöhnt man sich an die ewige Weite des Landes, in dem nur hin und wieder ein Dorf auftaucht, man entschleunigt zusehends. Etwa alle vier Stunden hält der Zug für vielleicht 20 Minuten, genug, um auszusteigen und den reichlich vorhandenen alten Omas aus den umliegenden Dörfern, die sehnsüchtig auf den Zug warten, die einfachen und leckeren lokalen Spezialitäten abzukaufen. Eine Tüte warme Kartoffeln mit Kräutern und vielleicht etwas Speck für einen Rubel, da kann das Zugrestaurant nicht mithalten. Oder frisch zubereiteter Fisch aus einem sibirischen Bach, herrlich. Und man isst mit dem angenehmen Gefühl, dass das eigene Geld unmittelbar jemandem zugute kommt, der es braucht.

Empfehlenswert ist es, auf der langen Reise einen Zwischenstopp einzulegen. Einer führte mich nach Krasnojarsk, und dort ist man als Tourist dann tatsächlich ganz allein unter Russen. Der Weg vom Bahnhof führt vorbei am Lenindenkmal, an dem auch heute noch ein Schulappell sowjetischen Musters durchgeführt wird. Aber wirklich überrascht ist man davon nicht, hat man doch gelesen, dass Krasnojarsk das Zentrum des Atomprogramms war. Der daraus resultierende Reichtum ist leicht zu erkennen. Viel wäre über diese Stadt noch zu schreiben, zum Beispiel über die Studentensiedlung an den Hängen über dem Jenissei, die im kurzen Sommer vor Leben strotzt, oder darüber, wie es ist, in einer für Ausländer bis vor kurzem gesperrten Stadt etwas in Englisch bestellen zu wollen. Eine kurze Empfehlung soll aber sein: Unbedingt einen kleinen Russischführer mitbringen, sonst ist da manchmal gar nichts zu machen.

Doch die Fahrt gen Osten geht weiter, und so erreicht man unter interessanter russischer Gesellschaft den Baikalsee. Auch dieser ist ja für viele ein mythisches Ziel, doch ist der erste Anblick ernüchternd. Die Magie erschliesst sich erst langsam und bedarf eines Aufenthalts jenseits von Irkutsk, dieser nicht wirklich schönen, eher unangenehmen Stadt. Am Besten fährt man auf die Insel Olchon, kehrt im Dorf Chuschir ein und saugt die Atmosphäre in sich auf. Und siehe da: Nach kurzer Zeit hat einen die Magie dieses gewaltigen Binnenmeeres erfasst. Wie man das organisiert, weiß das Hostel in Irkutsk. Die Reise nähert sich der Grenze zur Mongolei, und so hat man in Ulan-Ude erstmals und fast mit einem Schlag das Gefühl, in Asien zu sein. Der Grenzstein im Ural, der diesen Punkt markiert und an dem man vorbeifährt, wirkt da reichlich fehl am Platze. Ulan-Ude hat einige unerwartete Attraktionen, so neben der größten Leninbüste der Welt ein Freilichtmuseum über die Besiedlung Sibiriens und das größte buddhistische Kloster Russlands. Hat man das Glück, Mitte Juli dort zu sein, so sollte man auf keinen Fall die russische Version des mongolischen Nadaamfestes verpassen, dass die verwandten Burjaten in weit ursprünglicherer Form aufführen, als man das in Ulan Bator erleben kann, zumindest was die Ringkämpfe anbelangt.

Die Reise quer durch Russland endet mit einem Unwetter und unendlichen Wartezeiten an der mongolischen Grenze, doch kann der überaus positive, freundliche und atemberaubend schöne Eindruck von Russland und den Russen nicht mehr getrübt werden. Jedem sei eine Reise in dieses größte Land der Erde ans Herz gelegt!

Praktische Informationen:

Über Hostelsclub kann zum Beispiel in St. Petersburg das Nord-Hostel gebucht werden, in Moskau besteht die Auswahl zwischen drei Unterkünften mit preiswerten Mehrbettzimmern. Diese Preise strafen den Ruf Russlands als sehr teuer Lügen! In Irkutsk kann man bequem im Baikaler Hostel bleiben und es sich dort gemütlich machen. Auch in der mongolischen Hauptstadt und bei einer eventuellen Anreise über das Baltikum bietet Hostelsclub eine Vielzahl an günstigen und angenehmen Unterkünften.

Ein Visum für Russland erfordert eine Einladung, die man für ungefähr 30 Dollar im Internet bekommt. In der Regel reicht der Botschaft der Ausdruck der E-Mail mit der Einladung.

Die Bahntickets können direkt am Schalter in Russland gekauft werden, wofür man allerdings flexibel sein sollte. Dies ist die günstigste Variante. Die Vorausbuchung von Tickets wird von verschiedenen Büros in Russland angeboten. Jedoch sollten hier die verschiedenen Internetforen nach aktuellen Empfehlungen durchsucht werden.

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